Dieser Artikel ersetzt keine persönliche, fachgerechte Beratung. Wenden Sie sich bei gesundheitlichen Fragen an Ihre behandelnde Ärztin oder Ihren Arzt.
Was bedeutet eine ärztliche Zweitmeinung?
Definition und rechtlicher Hintergrund
Eine ärztliche Zweitmeinung bezeichnet die unabhängige Beurteilung einer Diagnose oder einer empfohlenen Behandlung durch eine zweite Ärztin oder einen zweiten Arzt, die bzw. der nicht an der bisherigen Therapie beteiligt war. Ziel ist es, medizinisch fundiert zu prüfen, ob ein geplanter Eingriff oder eine Operation wirklich notwendig ist oder ob alternative Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Besonders bei bestimmten planbaren Operationen – etwa Eingriffen an der Wirbelsäule, Gebärmutter oder Mandeln – kann eine zweite Einschätzung entscheidend sein, um Risiken zu minimieren und die richtige Entscheidung zu treffen.
Rechtlich ist die Zweitmeinung in § 27b SGB V verankert. Nach diesem Paragrafen haben gesetzlich Versicherte das Recht, sich vor bestimmten Eingriffen eine unabhängige Zweitmeinung anzufordern. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt fest, bei welchen planbaren Eingriffen dieser Anspruch gilt. Das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) erstellt hierzu wissenschaftliche Bewertungen, um Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zu fördern.
Unterschied zwischen Erst- und Zweitmeinung
Die Erstmeinung stammt von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt, der eine Diagnose stellt und eine Behandlung – meist einen Eingriff – empfiehlt. Die Zweitmeinung dagegen wird von einem zweiten Arzt oder einer zweiten Ärztin abgegeben, die völlig unabhängig agieren.
Eine qualifizierte zweite Meinung umfasst die Prüfung aller Befunde und Untersuchungsergebnisse sowie das Recht auf Kopien der Patientenakte. Der Zweitmeiner benötigt alle Behandlungsunterlagen, um beurteilen zu können, ob der Eingriff für notwendig erachtet wird oder ob Behandlungsalternativen sinnvoller sind.
Wann spricht man von einer qualifizierten Zweitmeinung?
Von einer qualifizierten ärztlichen Zweitmeinung spricht man, wenn die Ärztin oder der Arzt über besondere Fachkenntnisse im jeweiligen Gebiet verfügt. Der Zweitmeiner benötigt nachweislich Erfahrung mit dem jeweiligen Eingriff und muss die Voraussetzungen nachweisen, die in der Zweitmeinungsrichtlinie festgelegt sind.
Müssen Ärztinnen und Ärzte bestimmte Qualifikationen erfüllen, legt der G-BA diese gemeinsam mit dem Bundesausschuss und dem IQWiG fest. Die Zweitmeinung darf nur von Personen abgegeben werden, die nicht an der bisherigen Behandlung beteiligt waren.
Wann sollte man eine ärztliche Zweitmeinung einholen?
Bei schwerwiegenden Diagnosen wie Krebs oder Herzkrankheiten
Wenn Sie mit einer schweren Diagnose konfrontiert werden – etwa Krebs, Herzkrankheiten oder chronischen Leiden –, kann eine ärztliche Zweitmeinung lebenswichtig sein. Der erste Schock über die Diagnose führt oft zu Verunsicherung. Eine unabhängige Einschätzung hilft, medizinisch fundierte Entscheidungen zu treffen und das Gefühl zu gewinnen, auf Nummer sicher gehen zu können.
Oft zeigt sich: Eine zweite Meinung kann Behandlungen ersparen oder schonendere Alternativen aufzeigen. In der Praxis berichten Patientinnen und Patienten häufig, dass sie nach einer Zweitmeinung weniger invasive Eingriffe benötigen.
Vor geplanten Operationen und invasiven Eingriffen
Bei planbaren Eingriffen haben Sie einen Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Das gilt insbesondere für bestimmte planbare Operationen, die laut G-BA in der Zweitmeinungsrichtlinie festgelegt sind – etwa Mandeloperationen oder Eingriffe an der Gebärmutter.
Sie müssen mindestens zehn Tage vor dem geplanten Eingriff über Ihr Recht informiert werden, eine Zweitmeinung in Anspruch nehmen zu dürfen. Diese Frist gibt Ihnen Zeit, einen Spezialisten zu suchen, alle Behandlungsunterlagen zusammenzutragen und ggf. den geplanten Operationstermin wieder abzusagen, falls Sie sich gegen den Eingriff entscheiden.
Bei unklaren oder widersprüchlichen Befunden
Wenn Befunde uneindeutig oder widersprüchlich sind, lohnt es sich, eine medizinische Zweitmeinung einzufordern. Besonders wenn die empfohlene Behandlung für Sie unverständlich ist, kann eine zweite Meinung helfen, Klarheit zu gewinnen.
Lassen Sie sich in diesem Fall Ihre Patientenakte oder die vorliegenden Befunde aus Ihrer Arztpraxis mitgeben – Sie haben ein Recht auf Kopien der Patientenakte. Nur so kann die zweite Ärztin oder der zweite Arzt den Fall vollständig beurteilen.

Recht auf Zweitmeinung – Was sagt das Gesetz?
Das Recht auf Zweitmeinung ist in § 27b SGB V gesetzlich geregelt. Danach haben gesetzlich Versicherte einen Anspruch, sich vor bestimmten planbaren Operationen eine zweite Meinung einzuholen.
Damit eine Zweitmeinung gültig ist, müssen Ärztinnen und Ärzte bestimmte Zulassungen besitzen und gegebenenfalls eine Genehmigung der gesetzlichen Krankenkassen einholen.
Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin ist verpflichtet, Sie spätestens zehn Tage vor dem geplanten Eingriff über Ihr Recht auf Zweitmeinung zu informieren.
Wie läuft das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung ab?
- Information durch die Ärztin oder den Arzt:
Sie erhalten vor einem geplanten Eingriff ein Patientenmerkblatt über Ihr Recht auf Zweitmeinung. - Freie Arztwahl:
Sie dürfen selbst entscheiden, bei welcher Ärztin oder welchem Arzt Sie die Zweitmeinung abgeben lassen – Sie haben also freie Arztwahl. - Prüfung der Unterlagen:
Der Zweitmeiner analysiert Ihre Behandlungsunterlagen, Befunde und die Indikationsstellung des behandelnden Arztes. - Bericht und Beratung:
Sie erhalten einen zusammenfassenden schriftlichen Bericht, der Empfehlungen, Risiken und Behandlungsalternativen enthält.
Kostenübernahme: Wer zahlt die Zweitmeinung?
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten, wenn die Zweitmeinung Teil des offiziellen Zweitmeinungsverfahrens ist. Gesetzlich Versicherte haben einen Anspruch auf diese Leistung ohne Zusatzkosten.
Außerhalb dieses Rahmens entscheiden Krankenkassen individuell. Holen Sie sich vorab ein Merkblatt Ihrer Versicherung oder lassen Sie sich beraten.
Vorteile einer Zweitmeinung
| Vorteil | Beschreibung |
|---|---|
| Mehr Sicherheit | Sie treffen Entscheidungen auf Basis unabhängiger medizinischer Expertise. |
| Vertrauen | Eine zweite Einschätzung stärkt das Vertrauen in Ihre Behandlung. |
| Vermeidung unnötiger Eingriffe | Viele geplante Operationen werden nach Zweitmeinung nicht durchgeführt. |
| Behandlungsalternativen | Neue Perspektiven können schonendere Optionen aufzeigen. |
| Vermeidung von Doppeluntersuchungen | Alle relevanten Befunde liegen vor – Zeit und Kosten werden gespart. |
Eine Zweitmeinung kann sogar Leben retten – etwa wenn sich zeigt, dass ein vorgesehener Eingriff unnötig oder zu riskant ist.
Nachteile und Grenzen einer Zweitmeinung
Eine medizinisch-fachliche Zweitmeinung erfordert Zeit, insbesondere bei kurzfristigen Operationen. Zudem können unterschiedliche Meinungen verunsichern.
Wichtig ist, dass Sie Ihre Unterlagen vollständig einreichen. Nur so kann die zweite Ärztin oder der zweite Arzt eine fundierte Zweitmeinung abgeben.
Typische Fehler beim Einholen einer Zweitmeinung
Häufige Fehler:
- Zu spät handeln: Viele holen die Zweitmeinung erst kurz vor dem geplanten Operationstermin ein.
- Fehlende Unterlagen: Ohne vollständige Behandlungsunterlagen ist keine qualifizierte Beurteilung möglich.
Strategien zur Vermeidung:
- Frühzeitig einholen: Spätestens zehn Tage vor dem bevorstehenden Eingriff aktiv werden.
- Alle Unterlagen anfordern: Patientenakte und Befunde vollständig mitnehmen.
- Geeigneten Spezialisten wählen: Über 116117.de Arztsuche starten.
Programme, die unterstützen:
- Patientenberatung Deutschland (UPD)
- Informationsportale des G-BA
- IQWiG-Ratgeber
- Merkblätter der gesetzlichen Krankenkassen
FAQ häufig gestellte Fragen
Wie beantrage ich eine Zweitmeinung?
Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt und bitten Sie um ein Patientenmerkblatt. Anschließend können Sie frei eine zugelassene Fachärztin oder einen Facharzt wählen.
Welche Unterlagen brauche ich?
Ihre Patientenakte, Befunde und Untersuchungsergebnisse. Sie haben ein gesetzliches Recht auf Kopien der Patientenakte.
Wer bezahlt die Zweitmeinung?
In der Regel übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten bei bestimmten planbaren Operationen.
Wo finde ich zugelassene Ärztinnen und Ärzte?
Über den Patientenservice: 116117.de
Fazit – Mehr Sicherheit durch ärztliche Zweitmeinung
Eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen bedeutet, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. Vor allem bei planbaren Eingriffen oder Operationen kann eine zweite Meinung helfen, Risiken zu erkennen, Alternativen zu prüfen und auf Nummer sicher zu gehen.
Das Zweitmeinungsverfahren nach § 27b SGB V stärkt die Rechte der gesetzlich Krankenversicherten und trägt zu mehr Transparenz und Vertrauen im Gesundheitswesen bei.
Nutzen Sie Ihr Recht – und holen Sie sich, wenn Sie Zweifel haben, eine unabhängige Zweitmeinung ein.
Quellenverzeichnis
Gesetzliche Grundlagen
- § 27b SGB V – Ärztliche Zweitmeinung
Bundesministerium der Justiz. Gesetz über die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Online verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__27b.html
(Abgerufen: Oktober 2025) - Sozialgesetzbuch (SGB V) – Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung
Bundesministerium der Justiz und Bundesamt für Justiz.
Online unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/
Institutionen & Behörden
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
Informationen zum Zweitmeinungsverfahren, Indikationen und Richtlinien.
Online: https://www.g-ba.de/
(Offizielle Quelle für Zweitmeinungsrichtlinie und Indikationsstellung) - Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Publikationen und Bewertungen zur Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.
Online: https://www.iqwig.de/ - Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
Informationen über Patientenrechte, Zweitmeinungen und gesetzliche Ansprüche.
Online: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ - Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) – Patientenservice 116117.de
Arzt- und Facharztsuche für das Zweitmeinungsverfahren.
Online: https://www.116117.de/
Fach- & Patienteninformationen
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Patienteninformationen zu Operationen, Behandlungsalternativen und Vorsorge.
Online: https://www.bzga.de/ - Patientenberatung Deutschland (UPD)
Unabhängige Patientenberatung zu Rechten, Krankenkassen und Zweitmeinung.
Online: https://www.patientenberatung.de/ - Gesetzliche Krankenkassen (z. B. AOK, TK, Barmer)
Ratgeberseiten zur ärztlichen Zweitmeinung, Kostenübernahme und Ablauf.
AOK: https://www.aok.de/pk/leistungen/aerztliche-zweitmeinung/
Techniker Krankenkasse: https://www.tk.de/techniker/leistungen-und-mitgliedschaft/aerztliche-zweitmeinung-2009278
Barmer: https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/behandlung/aerztliche-zweitmeinung-1082294 - Ärztekammer Nordrhein (oder regionale Ärztekammern)
Informationen zu ärztlicher Beratung und Qualifikationsnachweisen bei Zweitmeinungen.
Online: https://www.aekno.de/ - Deutsche Krebsgesellschaft (DKG)
Empfehlungen zur Zweitmeinung bei Krebsdiagnosen.
Online: https://www.krebsgesellschaft.de/ - Bundesärztekammer (BÄK)
Stellungnahmen und Richtlinien zu ärztlicher Aufklärung und Zweitmeinungen.
Online: https://www.bundesaerztekammer.de/



