Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzt keine Rechtsberatung. Für individuelle Fragen wenden Sie sich bitte an einen Fachanwalt für Medizinrecht oder an die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD).
Einführung – Warum Patientenakten so wichtig sind
Patientenakten sind das Fundament einer sicheren und kontinuierlichen medizinischen Behandlung. Ohne eine vollständige und sorgfältig geführte Dokumentation ist es für Sie als Patientin oder Patient schwierig, die eigene Krankengeschichte nachzuvollziehen, eine fundierte zweite Meinung einzuholen oder Ansprüche im Falle von Behandlungsfehlern geltend zu machen.
Ärztliche Diagnosen, Laborwerte, Röntgen- und MRT-Bilder, OP-Berichte oder Arztbriefe sind nur einige Beispiele für medizinische Dokumente, die Bestandteil einer Patientenakte sind.
Für Patientinnen und Patienten ist die sichere Verwahrung dieser Unterlagen entscheidend. Sie sollen darauf vertrauen können, dass Krankenhäuser und Arztpraxen die Dokumentation vollständig, korrekt und dauerhaft führen. Doch was passiert, wenn Unterlagen verloren gehen oder die Einsicht verweigert wird? Genau das beleuchtet dieser Beitrag.
Gesetzliche Grundlagen zur Aufbewahrung
Patientenrechtegesetz (§ 630g BGB)
Das deutsche Patientenrechtegesetz regelt, dass Sie als Patientin oder Patient ein umfassendes Einsichtsrecht in Ihre Unterlagen haben. Ärztinnen und Ärzte müssen Ihnen auf Verlangen unverzüglich Einsicht gewähren.
Eine Verweigerung ist nur zulässig, wenn
- therapeutische Gründe dagegen sprechen oder
- Rechte Dritter beeinträchtigt würden.
Wichtig:
- Erste Kopie Ihrer Patientenakte: kostenfrei (BGH-Urteil 2020, Az. VI ZR 476/18).
- Weitere Kopien dürfen gegen angemessenes Entgelt bereitgestellt werden.
- Das Einsichtsrecht gilt sowohl für Papierakten als auch für elektronische Dokumente.
Vorgaben durch DSGVO und Datenschutzrecht
Gesundheitsdaten gehören nach Art. 9 DSGVO zu den besonders sensiblen Daten. Das bedeutet:
- Zugriff nur durch befugtes Fachpersonal,
- strikte Zweckbindung (Daten dürfen nur für den medizinischen Zweck genutzt werden, für den sie erhoben wurden),
- ärztliche Schweigepflicht gilt uneingeschränkt.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) betont zudem, dass Patientendaten nur mit Ihrer ausdrücklichen Einwilligung an Dritte weitergegeben werden dürfen.
Welche Informationen gehören in eine Patientenakte?
Eine vollständige Patientenakte enthält:
- ärztliche Diagnosen und Befunde
- Laborwerte und Bildmaterial (Röntgen, MRT, CT)
- OP- und Behandlungsberichte
- verschriebene Medikamente
- Arztbriefe und Entlassungsberichte
- Nachsorgeempfehlungen und Kontrolltermine
Für Ärztinnen und Ärzte ist die lückenlose Führung der Akte nicht nur eine rechtliche Pflicht, sondern auch ein wichtiges Instrument, um Transparenz und Behandlungsqualität sicherzustellen.
Wie lange müssen Patientenakten aufbewahrt werden?
Nach § 630f Abs. 3 BGB müssen die Akten mindestens 10 Jahre nach Abschluss der Behandlung aufbewahrt werden.
Besondere Vorschriften:
- Röntgenaufnahmen: 30 Jahre (§ 28 RöV)
- Pathologische Befunde: bis zu 30 Jahre
- Länderspezifische Krankenhausgesetze können längere Fristen vorschreiben.
Tipp: Fragen Sie aktiv in Ihrem Krankenhaus oder Ihrer Arztpraxis nach, wie lange Ihre Unterlagen gespeichert werden.
Was tun, wenn Akten fehlen oder verweigert werden?
Schritt-für-Schritt-Vorgehen
- Kopie anfordern – schriftlich und nachweisbar (Einschreiben oder Fax mit Sendebericht).
- Auf § 630g BGB berufen: „Ich verlange unverzüglich Einsicht in die vollständige Dokumentation.“
- Bei Verweigerung → rechtliche Schritte prüfen.
Tabelle: Vorteile einer vollständigen Patientenakte
Vorteil | Beschreibung |
---|---|
Transparenz | Sie können den Behandlungsverlauf jederzeit nachvollziehen. |
Rechtssicherheit | Bei Behandlungsfehlern haben Sie Beweise in der Hand. |
Bessere Versorgung | Doppeluntersuchungen werden vermieden. |
Kontinuität | Neue Ärztinnen und Ärzte können nahtlos anknüpfen. |
Rechtliche Unterstützung
- Fachanwälte für Medizinrecht können die Durchsetzung Ihrer Ansprüche übernehmen.
- Patientenberatung (z. B. UPD) hilft bei Konflikten mit Ärzten oder Kliniken.
Häufige Gründe für den Verlust von Patientenakten
- Papierakten: Verlegung, Wasserschäden, Brände, Praxisumzüge oder Klinikschließungen
- Digitale Systeme: Systemfehler, unzureichende Datensicherung, Bedienfehler
Auch wenn die elektronische Patientenakte (ePA) Datenverluste reduzieren soll, bleiben Risiken bestehen.
Zukunft der Patientenakten – Trends und Entwicklungen
Ab Januar 2025 ist die elektronische Patientenakte (ePA) bundesweit standardmäßig eingeführt. Krankenkassen legen sie automatisch für alle Versicherten an (Opt-out-Modell).
Vorteile:
- Zentrale Speicherung aller Gesundheitsdaten
- Vermeidung von Doppeluntersuchungen
- Transparente Kontrolle über Zugriffsrechte: Patientinnen und Patienten bestimmen, wer was sehen darf
Strategien für eine sichere Nutzung:
- Datenschutzkonform arbeiten
- Zugriff nur nach Erforderlichkeit gewähren
- Regelmäßige Backups elektronischer Systeme
FAQs
Wer darf in meine Patientenakte schauen?
Nur behandelnde Ärzte und autorisiertes Fachpersonal mit Ihrer Einwilligung.
Was kostet eine Kopie?
Die erste Kopie ist kostenfrei, weitere Kopien können kostenpflichtig sein.
Was tun bei verweigerter Einsichtnahme?
Auf § 630g BGB berufen. Verweigerung nur aus therapeutischen Gründen oder wegen Rechten Dritter möglich.
Wie lange müssen Unterlagen aufbewahrt werden?
Mindestens 10 Jahre, bei bestimmten Dokumenten bis zu 30 Jahre.
Welche Vorteile hat die ePA?
- zentrale Speicherung
- Transparenz beim Datenzugriff
- bessere Versorgung durch Datenbündelung
Quellen
Gesetze & Verordnungen
BGB – § 630g Einsichtnahme in die Patientenakte
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630g.html
BGB – § 630f Dokumentation der Behandlung (Aufbewahrungsfristen)
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630f.html
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – Art. 9 (besondere Kategorien personenbezogener Daten)
https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2016/679/oj
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
https://www.gesetze-im-internet.de/bdsg_2018/
Behörden & Institutionen
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) – Patientenrechte
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/patientenrechte
Gematik – Informationen zur elektronischen Patientenakte (ePA)
https://www.gematik.de/anwendungen/epa-fuer-alle
Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)
https://www.patientenberatung.de/
Rechtsprechung
BGH-Urteil zur Kostenfreiheit der ersten Kopie (Az. VI ZR 476/18, 2020)
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=c14442f3f99d9b2cf9a58a3c62f14c6c&nr=115249&pos=0&anz=1